Im zweiten Teil unseres Streifzugs durch die Cannabiskultur und ihre Geschichte schauen wir auf das 20. Jahrhundert bis hinein in unsere Zeit – von den Hippies bis zur Love Parade und den Partys in Berlin haben sich die Leute mit Hanf nicht einfach nur vergnügt, sondern Kiffen immer auch als Statement präsentiert. Gut möglich, dass viele verrückte und heute kommerzialisierte Events am Anfang vor allem eine Idee gewesen sind, entsprungen dem auf Cannabis euphorisierten Geist. Und überhaupt sollten wir bildende Kunst, Literatur, Musik und unzählige soziale Bewegungen als vom Hanf inspiriert betrachten, schließlich gehören Joint und Pfeife sehr häufig zu kreativen Personen.
- Ende 1960er Jahre – San Francisco
Klar müssen wir damit anfangen, das ist Klischee, Kult und für die Überlebenden dieser Zeit fast Religion gewesen! Damals lebten in Kalifornien Künstler wie Janis Joplin, Jimi Hendrix und Grateful Dead praktisch Haus an Haus. Haight-Ashbury wurde als zentrale Kiffer-Gemeinde der Hippies in San Francisco von der New York Times zu Hashbury umgetauft und wir brauchen nur mal wieder in die Bücher von Hunter S. Thompson („Fear and Loathing in Las Vegas“) zu schauen für einen psychedelischen Überblick. Gras war damals überall und diente nicht nur dem Rausch, sondern als Katalysator und Symbol für eine sich schnell verändernde Zeit.
- Ende 1960er Jahre – Nashville / Tennessee
Zur gleichen Zeit aber weiter im Südosten der USA gelegen spielten vergleichsweise unbekannte, junge Musiker in völlig zugekifften Studios ihre Interpretation von Country. Sie verachteten die zum Kommerz aufgeblasene Popmusik, die sich im Schweif der Beatles gerade aufmachte die Ohren zu erobern – in Windeseile wurde der Nashville Sound weltberühmt. Dabei waren Künstler wie Willie Nelson, Johnny Cash und Kris Kristofferson. Wer hätte schon gedacht, dass sich die im Herzen als Cowboys fühlenden Südstaatler ausgerechnet mit Hilfe von Haschisch und Marihuana neu erfinden? Cannabis ist eben über alle Grenzen hinweg inspirierend und erst der War on Drugs einige Jahre später hat Tennessee dann wirklich zu jener heute bekannten No-Go Area für Kiffer gemacht.
Seltsame Zigaretten: Wenn ihr mal paar Videos checkt zum Nashville-Sound, dann fallen Euch die merkwürdig geformten Kippen auf und natürlich wissen wir heute, dass in der Lunte auf der Bühne meistens kein Tabak gewesen ist. Marlboro stand da zwar auf der Packung, aber die Countrymusiker rollten das Gras einfach in die Zigarettenhülle, der Tarnung halber, aber immer konsequent.
- Anfang 1970er Jahre – Jamaika
Die Cannabis-Religion der Rastafaris war schon länger da auf der Insel in der Karibik, die heute neben Amsterdam als eine Art Kapitale für Kiffer gilt, doch erst die künstlerische Aufbereitung dieser Stimmung in der Reggae Musik gilt als Geburtsstunde von Jamaika als Hanf Bewegung. Bekanntlich smoken die Rastafaris das Gras aus sakralen Gründen, sie reinigen spirituell ihren Körper für das Gespräch mit der Gottheit. Durch das Kiffen soll die Hure Babylon vertrieben werden aus dem Denken und Fühlen, die zeigt sich Materialismus und Unterdrückung, natürlich im übertragenen Sinn. Ursprünglich war diese Religion vor allem was für Bauern, doch junge Leute in Kingston nahmen das auf – vor allem im rauen Trenchtown, wo ein gewisser Bob Marley alsbald begann Musik zu spielen und Jamaika mit aller heute berühmten Attitüde weltbekannt machte.
- 1970er und 1980er Jahre – New York
Heute ist die Hip-Hop Musik allen Leuten bekannt, doch vor vier Jahrzehnten erst ging es los und zwar in der New Yorker Bronx als zugegeben wenig einladenden Ort. Doch schon Ende der 70er Jahre taten sich dort DJs zusammen mit MCs, dazu kamen Breakdancer und Graffitikünstler, was sich schnell zum schließlich so berühmten Vibe zusammenmixte. Bei der Improvisation am Mikrofon war immer auch ein Joint am Start, mindestens backstage, aber häufig direkt und unverblümt. Bekannte erste Rapper wie Busy Bee und Coke LaRock waren auch Grasdealer, die eigenen Aussagen zufolge das Kiffen für coole Ideen am Mic nutzten – Cannabis hat auch diese künstlerische Bewegung entscheidend mit angeschoben.
- 1990er Jahre – Berlin
Nach der Einheit war Ostberlin eine Art rechtsfreier Raum und das nutzten einfallsreiche Musiker in einer Szene, die faszinierend zersplittert eine völlig neue deutsche und zugleich global taugliche Subkultur etablierten. Mag sein, dass von der Love Parade bis zu den wilden Partys im Grunewald der Hanf vor allem zur Entspannung nach einem Ecstasy Rausch benutzt wurde, doch die DJs wie Dr. Motte und Sven Väth, Marusha und Westbam haben den Joint salonfähig gemacht. Einer ihrer Adepten, der schon im neuen Jahrtausend aktive Paul Kalkbrenner, fliegt übrigens vor allem deshalb Privatjet, weil dort das Kiffen erlaubt ist 😉
Und wie stehts heute um Cannabis in Kunst und Kultur?
Hanf diente den hier beschriebenen Bewegungen und Künstlern als Symbol, aber auch als Medizin und eben als inspirierendes Rauschmittel. Ersteres ist heute in Zeiten der Legalisierung vor allem in Übersee weniger wichtig geworden, während der therapeutische Einsatz von Cannabis selbst im zurückgebliebenen Deutschland mittlerweile erlaubt ist. Wahrscheinlich sind die ganz großen rebellischen Zeiten im Zeichen des Hanf-Leafs vorbei, schließlich greifen heute nicht mehr nur Hippies, Musiker und Lebenskünstler zum Joint – sondern eben auch jene, die vor Jahrzehnten noch vor angeblich großen Gefahren durch Haschisch und Marihuana gewarnt haben im Tenor der damals wirksamen Verblödung. Wir sind gespannt, welche Künstler und Bewegungen dem Cannabis noch mal einen Sonderplatz einräumen, aber darüber hinaus können wir alle uns ein bisschen Kreativität holen aus der schon seit Jahrhunderten dafür genutzten Grastüte.
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